22. Mai 2007:
Es gibt immer noch eine Überraschung

Nun fahren die beiden Rover Spirit und Opportunity schon mehr als drei Jahre über die Marsoberfläche und manch einer wird sich fragen, ob es da wirklich noch was Neues zu entdecken gibt? Eines Tages wurde im „Rückspiegel“ des Rovers ein heller Fleck auf dem Boden entdeckt. Da meinten einige Fachleute, dass wohl wieder eine der Schwefel-Anreicherungen entdeckt worden sei, die schon vor einiger Zeit für Furore gesorgt hatten. Doch weit gefehlt!

 

© NASA/JPL/Cornell

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Abbildung 1: Blick auf die aufgewühlte Radspur des Rovers Spirit mit einem geheimnisvollen hellen Fleck, genannt ‚Gertrude Weise’. Die Aufnahmen wurden mit der Panorama-Kamera des Rovers an zwei verschiedenen Marstagen (Sol) gemacht:  links am Sol 1158, rechts am Sol 1187.


Eine erste Untersuchung des hellen Flecks wurde mit einem Gerät gemacht, das Mineralien identifizieren kann. Dieses Gerät heißt „Mini-TES“  und ist ein kleines thermisches Emissions-Spektrometer. Statt der erwarteten Schwefelverbindungen wurden Hinweise auf viel Silizium gefunden. Das Element Silizium ist als Siliziumdioxid in allen Steinen und Bodenproben auf dem Mars vorhanden: meist zwischen 45 und 55 Gewichtsprozent. Der helle Fleck schien mehr davon zu enthalten. Das musste näher untersucht werden. Also wurde die Fahrstrecke des Rovers Spirit umgeplant, und so fuhr der Rover zurück zu seiner eigenen Spur.

Spirits Spur wird von seinen sechs Rädern gefurcht. Er hat drei auf jeder Seite, um gut in schwierigem Gelände manövrieren zu können. Im Laufe der Mission setzte jedoch der unvermeidliche Alterungsprozess ein. Am 779. Tag auf dem Mars (auch Sol genannt) fiel der Elektromotor im rechten Vorderrad aus, so dass dieses Rad blockiert wurde. Der Rover hatte von nun an ein „lahmes Rad“. Dieses Handicap konnte zwar kompensiert werden, indem Spirit einfach immer rückwärts fuhr und sein lahmes Rad nachschleifte. Doch er war in seiner Manövrierfähigkeit ein wenig eingeschränkt. Das blockierende Rad bewirkte jedoch, dass der Boden mehr als sonst aufgewühlt wurde und damit unterirdische Ablagerungen zum Vorschein kamen, die sonst unentdeckt geblieben wären. So wandelte sich das lahme Rad zu einem nützlichen Pflug. Helle Stellen wurden freigelegt, die sich in der Vergangenheit als Schwefel-Anreicherungen entpuppt hatten.

Die chemischen Analysen der Bodenproben wurden, wie immer, mit dem Alpha-Röntgen-Spektrometer (APXS) durchgeführt, das einst am Max-Planck-Institut für Chemie gebaut worden war. Dieses kleine Instrument befindet sich am Ende des robotischen Armes, der vorne am Rover befestigt ist und von der Erde aus ferngesteuert wird. Für die Analyse einer Probe wird das APXS knapp über die zu untersuchende Stelle gehalten. Die radioaktiven Quellen des APXS bestrahlen die Probenoberfläche. Die nun entstehende Röntgenstrahlung wird mit einem Detektor gemessen. Diese Daten werden zur Erde gefunkt und aus ihnen lässt sich dann die chemische Zusammensetzung der Probe bestimmen.

 

© NASA/JPL

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Abbildung 2: Die vordere Weitwinkelkamera von Rover Spirit zeigt das Gelände vor den beiden Fronträdern an zwei verschiedenen Marstagen (Sol).  Links (Sol 1187): Heller Fleck in aufgewühlter Spur. Rechts (Sol 1189): robotischer Arm mit APXS in Messposition am hellen Fleck. Das APXS zeigt nach unten und ist auf der Aufnahme kaum zu erkennen. Diese APXS-Messung enthüllte die chemische Zusammensetzung des hellen Flecks: hoher Gehalt an Silizium.


Regelmäßig werden während Telefonkonferenzen neue Messresultate unter den beteiligten Wissenschaftlern ausgetauscht. Damit können alle im Rover-Team immer auf dem Laufenden bleiben. Als nun bekannt gegeben wurde, dass das APXS eine Probe gemessen hatte, die etwa 90 Prozent Siliziumdioxid enthielt, war die Überraschung groß. „Man konnte die Leute förmlich nach Luft schnappen hören“, sagte Steve Squyres von der Cornell Universität in Ithaca, New York State. Er ist der Leiter der Rover-Instrumente: „Dies ist eine bemerkenswerte Entdeckung. Und die Tatsache, dass wir etwas so Neues nach fast 1200 Tagen auf dem Mars gefunden haben, ist noch bemerkenswerter. Es lässt einen wundern, was sonst noch draußen zu finden ist.“

Auf seiner Erkundungsfahrt durch die flachen Hügel des Gusev-Kraters hatte Rover Spirit schon einige Hinweise auf Wasser gefunden, das vor langer Zeit (mehrere 100 Millionen von Jahren) dort einmal vorhanden gewesen war. Die entdeckten unterirdischen Schwefelvorkommen deuteten auf eine chemische Anreicherung hin, die in einer wässrigen Lösung stattgefunden hatte. Bestimmte Veränderungen von Mineralien verwiesen auf alte Verwitterungsprozesse, die in Feuchtigkeit stattgefunden hatten. Einige geologische Befunde passten gut zu dem Phänomen eines explosiven Vulkanismus, der durch das Zusammentreffen von heißem Magma und Wasser entstanden war.

„Dies ist einer der besten Hinweise, die Spirit für Wasser im Gusev-Krater gefunden hat“, sagte Albert Yen, ein Geochemiker vom Nasa Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien. Eine mögliche Ursache für die Anreicherung von Siliziumdioxid könnte die Wechselwirkung von basaltischem Staub mit ätzenden Wasserdämpfen sein, die durch vulkanische Aktivitäten entstanden sein könnten. Eine andere Möglichkeit wäre das Zusammenwirken von Gestein und saurem Wasser aus heißen Mineralquellen.

Der neu entdeckten Stelle wurde der (noch inoffizielle) Name ‚Gertrude Weise’ gegeben, benannt nach einer Spielerin in der All-American Frauen Profi-Baseball Liga, erläuterte Ray Arvidson von der Washington Universität in St. Louis, Missouri. Er ist der stellvertretende Leiter der Rover-Instrumente.

„Wir haben ein Dutzend aufgewühlter Bobenproben in den Roverspuren untersucht und dies ist die erste, die eine hohe Silizium-Signatur zeigt“, sagte Steve Ruff von der Arizona State Universität in Tempe, Arizona. Diese Beobachtungen wurden mit dem Mini-TES durchgeführt. Siliziumdioxid kommt auf der Erde häufig in kristalliner Struktur als das Mineral Quarz vor. Es ist aber auch als Glas in Fensterscheiben zu finden. Das Siliziumdioxid an der ‚Gertrude Weise’-Stelle ist nicht kristallin, es zeigt keine Spuren von Quarz in den Mini-TES-Daten.

Achtzehn Monate lang arbeitete Rover Spirit etwa 45 Meter von der ‚Gertrude Weise’-Stelle entfernt, bevor die entscheidende Entdeckung gemacht wurde. „Diese Entdeckung machte mir deutlich, wie wichtig es ist, eine gründliche und sorgfältige Erkundung durchzuführen“, sagte Steve Squyres. „Dies ist eine Gegend mit abwechslungsreichem Material, und es war gut, dass wir nicht schnell durchgefahren sind“.

Die hohen Silizium-Konzentrationen lieferten neue, stichhaltige Hinweise auf Klimabedingungen, die einst auch günstig für das Entstehen von Leben auf dem Mars gewesen sein könnten. David Des Marais, ein Exobiologe vom Nasa Ames Forschungszentrum in Moffett Field, Kalifornien, sagte dazu: „Das Aufregende daran ist, dass wir etwas über eine Umwelt erfahren, die Ähnlichkeit mit Plätzen auf der Erde vorweist, die vorteilhaft für lebende Organismen sind.“

Text basiert auf einer NASA-Pressemeldung vom 21. Mai 2007.